Eugenie (Jenja) Goldstern

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Name Eugenie (Jenja) Goldstern Geboren 16 Dez 1883 Odessa, Ukraine - Quellen: Alternatives Geburtsdatum 01.03.1884
Geschlecht weiblich Residence von 1905 bis 1942 Wien, Wien, Österreich Residence von 21 Okt 1910 Nußdorferstraße 4, Wien, Wien, Österreich Event 1912 Feschel, Wallis, Schweiz Forschungsaufenthalt Event 1913 Bessans, Savoyen, Frankreich Forschungsaufenthalt Residence von 1914 Lazarettgasse 20, Wien, Wien, Österreich Event 1916 Abtenau, Salzburg, Österreich Forschungsaufenthalt Event 1919 Sapün, Graubünden, Schweiz Forschungaufenthalt Education 1921 Freiburg/Fribourg im Üechtland, Freiburg, Schweiz Promotion mit einer volkskundlichen Monografie über Bessans in Savoyen bei Prof. Girardin Residence um 1941 bis 1942 Nußdorferstraße 4a, Wien, Wien, Österreich Persecution/Verfolgung 14 Jun 1942 KZ Sobibor, Polen Deportation Lebenslauf Eugenie Goldstern wurde 1883 oder 1884 in Odessa geboren, als Tochter des Kaufmanns Wladimir Goldstern und seiner Frau Marie, geb. Kitower. Eugenie Goldstern war das jüngste von 13 Kindern. In der Pogromstimmung von 1905 in Odessa floh ein großer Teil ihrer Familie nach Wien. Dort begann Eugenie Goldstern mit ihrem Studium bei Michael Haberlandt, einem der Begründer der Volkskunde in Wien. Aufgrund ihrer russischen Herkunft durfte sie seine Lehrveranstaltungen am Institut für Volkskunde allerdings nur als Gasthörerin besuchen. Sie schrieb sich daher an der Universität von Neuchatel in der Schweiz ein, wo sie ihren zweiten bedeutenden akademischen Lehrer, Arnold van Gennep, kennenlernte. Van Genneps Forschungen zu den Initiationsriten legte den Grundstein für die strukturalistische Ethnologie und Kulturwissenschaft. Von ihm profitierte Goldstern auch in ihren eigenen Forschungen zur Alltagskultur im Alpenraum. Sie unternahm Feldforschungsreisen in die schweizerischen, französischen und österreichischen Alpen, wo sie ich mit innovativen Methoden bis dahin wenig beachteten Gegenständen widmete, von der bäuerlichen Wohnkultur bis zum Kinderspielzeug und zum Einfluss grundlegender ritueller Traditionen auf die Alltagsästhetik. Dabei ging sie in ihrer vergleichenden Perspektive, die auch osteuropäische und außereuropäische Beispiele hinzuzog, weit über die damals üblichen Dimensionen hinaus.
Da eine Promotion in Wien nicht möglich war, setzte sie ihre Studien während des ersten Weltkriegs in der Schweiz fort. 1915 verlor Arnold van Gennep seinen Lehrstuhl in Neuchatel, weil er die offenkundige Verletzung der Neutralität durch die Schweiz öffentlich kritisierte, und musste die Schweiz verlassen. Goldstern beendete ihr Studium schließlich 1921 in Freiburg im Üechtland mit ihrer Dissertation über die Alltagskultur im savoyischen Bergdorf Bessans. Ihre "Volkskundliche monographische Studie über eine savoyische Hochgebirgsgemeinde" gehört zu den Pionierleistungen der Europäichen Ethnologie. Obwohl begabter als viele ihrer männlichen Kollegen, blieb ihr, nicht nur angesichts der verbreiteten rassistischen und antisemitischen Ideologie, die unter Michael Haberlandts Sohn Arthur in der revanchistischen Stimmung nach dem Weltkrieg eine spürbare Radikalisierung erfuhr, eine Anstellung am Wiener Museum für Volkskunde verwehrt. Eugenie Goldstern musste seit 1920 auch mit wachsenden psychischen Problemen kämpfen. Dennoch überließ sie den Großteil ihrer bedeutenden Sammlung dem Wiener Museum, ein kleinerer Teil ging an das Alpine Museum in Bern. Mehrmals förderte sie außerdem das finanziell notleidende Wiener Museum für Volkskunde mit beträchtlichen Summen. Ihr Bruder führte zu dieser Zeit in Wien eine sehr erfolgreiche Fangoklinik und die Familie konnte Eugenie Goldstern finanziell jederzeit unterstützen. Anders als die meisten ihrer Familienangehörigen verließ Eugenie Goldstern Wien auch nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Österreich nicht. Am 14. Juni 1942 wurde sie über Lublin in das Vernichtungslager Sobibor deportiert und ermordet.
Eugenie Goldsterns Sammlung verschwand nach dem 2. Weltkrieg im Depot des Wiener Museums. Erst 1968 wurden in der Außenstelle Gobelsberg Teile der Sammlung gezeigt, ohne auf Eugenie Goldstern selbst näher einzugehen, während es Schweizer Studierende waren, die Goldsterns Arbeit über Bessans wieder entdeckten. 1999 erschien Albert Ottenbachers Biografie und nach langen, teils öffentlichen, Auseinandersetzungen wurde 2004-5 eine wissenschaftshistorische Ausstellung zu Eugenie Goldstern und ihren Sammlungen vom Wiener Museum organisiert und eine vorsichtige Annäherung eingeleitet, die noch lange nicht abgeschlossen ist.
Publikationen:
- E.G., Bessans. Volkskundliche monographische Studie über eine savoyische Hochgebirgsgemeinde. Wien 1922
- E.G., "Alpine Spielzeugtiere. Ein Beitrag zur Erforschung des primitiven Spielzeugs", in: Wiener Zeitschrift für Volkskunde, 29. Jg (1924), H. 3-4 digital: http://quod.lib.umich.edu/g/genpub/acd0698.0029.003/26?view=image&size=200
- E.G., "Eine volkskundliche Erkundungsreise im Aostatale (Piemont)", in: Wiener Zeitschrift für Volkskunde 28, 1923, S. 55-56
- E.G., "Das Haus von Bessans (Savoyen)", in: Wiener Zeitschrift für Volkskunde, 27. Jg (1921), H. 2-3
digital: http://quod.lib.umich.edu/g/genpub/acd0698.0027.002/11?view=image&size=200
- E.G., "Beiträge zur Volkskunde des Lammertales mit besonderer Berücksichtigung von Abtenau (Tännengau)", in: Österreichische Zeitschrift für Volkskunde, 24. Jg, Wien 1918, 1.-3. H., S. 1-29
http://quod.lib.umich.edu/g/genpub/acd0698.0024.001/13
- Eugénie Goldstern (1884 - 1942), ethnologue de l'arc alpin (Hg. von Jean Claude Duclos, Christian Abry, Mireille Gansel, Grenoble : Musée Dauphinois, 2007
Literatur:
- Albert Ottenbacher: Eugenie Goldstern. Eine Biographie, Wien 1999.
- Ur-Ethnographie. Auf der Suche nach dem Elementaren in der Kultur. Die Sammlung Eugenie Goldstern, Hg. vom Österreichischen Museum für Volkskunde,
Wien 2004.
- Eugenie Goldstern und ihre Stellung in der Ethnographie : Beiträge des Abschlußsymposions zur Ausstellung "Ur-Ethnographie. Auf der Suche nach dem Elementaren in der Kultur. Die Sammlung Eugenie Goldstern", Österreichisches Museum für Volkskunde, Wien, 3. bis 5. Februar 2005, Wien: Museum für Volkskunde, 2005.
- Eugenie Goldstern, La Mémoire et l'Oubli. L'Odysée de L'Étrangère à Bessans. Montmélian, 2007.
- Klaus Beitl, „Grenzgänge“: Eugenie Goldstern: Die Hausformen des Aostatales. Nachgelassene handschriftliche Aufzeichnungen aus dem Jahre 1922, in: Österreichische Zeitschrift für Volkskunde LX/109, 2006, S. 245-292.
- Ueli Gyr, "Auf den Spuren von Eugenie Goldstern in Bessans (Frankreich). Rückblende auf eine Zürcher Forschungsexkursion", in: Österreichische Zeitschrift für Volkskunde LIX/108, 2005, S. 243-250.
- Michel Cullin, "Eugenie Goldstern in der Zeit des Frankojudaismus", in: Österreichische Zeitschrift für Volkskunde LIX/108, 2005, S. 295-298.
- Klára Kuti, Zwei Blicke auf einen Paradigmenwechsel. Bemerkungen aus Anlass des Symposiums über Eugenie Goldstern, in: Österreichische Zeitschrift für Volkskunde LIX/108, 2005, S. 299.
- Reinhard Johler, Auf der Suche nach dem „anderen“ Europa: Eugenie Goldstern und die Wiener „Völkerkunde Europas“, in: Österreichische Zeitschrift für Volkskunde LIX/108, 2005, S. 151-164.
- Albert Ottenbacher, Eugenie Goldstern im Wallis, http://www.albert-ottenbacher.de/goldstern_wien/rhone.pdf.
- Silvia Hofmann: "Eine fremde Forscherin im Münstertal: Eugenie Goldstern (1884–1942). Pionierin der europäischen Ethnografie", in: Silke Redolfi, Silvia Hofmann, Ursula Jecklin (Hg.): FremdeFrau: Beiträge zur Frauen- und Gechlechtergeschichte Graubündens im 19. und 20. Jahrhundert. Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich 2008, S. 107–115.Gestorben um 17 Jun 1942 KZ Sobibor, Polen Notizen - Quellen:
- Yad Vashem The Central Database of Shoah Victims' Names (https://yvng.yadvashem.org/nameDetails.html?language=en&itemId=4916894)
- Israelitische Kultusgemeinde Wien (https://www.ikg-wien.at/memorial-statt-der-frauen/)
- Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (https://www.doew.at/erinnern/biographien/spurensuche/alle-biographischen-skizzen/eugenie-goldstern-1884-1942)
- BiografiA. biografische Datenbank und Lexikon österreichischer Frauen (https://www.univie.ac.at/biografiA/ bzw. https://www.univie.ac.at/biografiA/daten/text/bio/goldstern_e.htm)
- Chris Webb, The Sobibor Death Camp: History, Biographies, Remembrance, Stuttgart 2017, S. 115.
Personen-Kennung I12275 Zuletzt bearbeitet am 14 Feb 2020
Vater Abraham Goldstern, geb. 22 Jan 1832, Lviv (Lemberg), Lviv Oblast, Ukraine , gest. 15 Aug 1905, Wien, Wien, Österreich
(Alter 73 Jahre)
Mutter Marie Kitower, geb. 19 Dez 1844, Odessa, Ukraine , gest. 24 Nov 1913 (Alter 69 Jahre)
Verheiratet um 1860 Familien-Kennung F31551 Familienblatt
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Pin-Bedeutungen : Adresse
: Ortsteil
: Ort
: Region
: (Bundes-)Staat/-Land
: Land
: Nicht festgelegt
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Fotos Eugenie Goldstern
Eugenie GoldsternEugenie Goldstern (2.v.l.) zusammen mit ihren Nichten Lydia, Nadja und Sylvia
Eugenie Goldstern (2.v.l.) zusammen mit ihren Nichten Lydia, Nadja und Sylvia
Eugenie Goldstern und ihr Bruder Iljuscha, 1905
Eugenie Goldstern und ihr Bruder Iljuscha, 1905
Auf dem Weg von Odessa nach Wien"Jenja in Tirol" Atelieraufnahme
"Jenja in Tirol"
Atelieraufnahme
Eugenie Goldstern, um 1905
Eugenie Goldstern, um 1905Eugenie Goldstern
Eugenie GoldsternEugenie Goldstern, 1919
Eugenie Goldstern (links) mit Schweizer Studenten und Professoren
Exkursion des Geografischen Instituts der Universität Fribourg nach Feschel bei Leuk, Juni 1919
Auf der Rückseite:
Widmung von Professor Paul Girardin dem "Fräulein Goldstern".
Desweiteren eine Notiz von Teresa Umansky:
"Jenja ist eine in Wien bekannte Forscherin für Volkskunde. In Wien gibt es im Museum eine Sammlung von ihr. Diese Sammlung hat sie auf ihren Reisen in Frankreich, Italien und Österreich zusammengestellt. Sie war ein guter und inniger Mensch, die Faschisten haben sie verbrannt."
Ernestine und Eugenie Goldstern
Ernestine und Eugenie Goldstern
Dokumente Eugenie Goldstern: Hochgebirgsvolk in Savoyen und Graubünden. Ein Beitrag zur romanischen Volkskunde, 1922
Eugenie Goldstern: Hochgebirgsvolk in Savoyen und Graubünden. Ein Beitrag zur romanischen Volkskunde.
Wien: Verlag des Vereines für Volkskunde, 1922
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